Sonntag, 28. Juli 2013

Siku zinaenda..


Der Monat Juli. Eine Zeit, so vollkommen tansanisch, so vollkommen angekommen in diesem anderen Land, so vollkommen zu Hause. Und trotzdem schielt man mit einem Auge auch schon wieder auf Deutschland. Denn die Abreise steht eigentlich kurz bevor. In 9 Wochen werde ich ins Flugzeug steigen und meine Heimreise antreten. Ein Ereignis, dem ich mit sehr gemischten Gefühlen gegenüberstehe.
In diesem Monat ist einiges passiert. Ich bin sozusagen eine Symbiose mit meiner Arbeit eingegangen. Mich ohne das TSE gab es in den letzten Wochen nicht mehr. Unter der Woche habe ich weiterhin Englisch und Theater unterrichtet und am Wochenende haben wir weitere Proben mit den Schüler und Lehrern gehabt, die im Oktober in Deutschland an dem Theaterprojekt „Zu Hause“ teilnehmen werden. Ich bin also sieben Tage die Woche beschäftigt. Nichtsdestotrotz, habe ich mich noch nie so wohl im TSE gefühlt und gehe jeden Morgen gerne zur Arbeit. Ich werde nun noch bis Ende des Monats meine beiden Einzelschülerinnen in Englisch unterrichten. Eine Schülerin hat dann ihren Kurs beendet und wird auf eine weiterführende Schule gehen. Die andere Schülerin werde ich dann hoffentlich an meinen Nachfolger übergeben können. Es ist schön zu bemerken, dass mein Unterricht Früchte trägt. Der Unterricht hier stellt einen manchmal wirklich vor andere Herausforderungen als mit bsp. Nachhilfeschülern, von denen ich auch in Deutschland schon manche unterrichtet habe. Im tansanischen Bildungssystem wird wenig auf die individuelle Förderung von Schülern geachtet. Der Frontalunterricht vermittelt Wissen vor allem durch auswendig lernen und nachsprechen. Von daher stellt die Aufgabe eine eigene Geschichte zu schreiben, seine eigenen Meinung zu äußern oder schon die Freiheit zu entscheiden, auf welche Seite des Papiers man das Datum schreibt, für die Schülerinnen eine neue Herausforderung dar. Von daher zählt es für mich auch schon zu einem Erfolg, wenn meine Schülerinnen mich darauf hinweist, wenn sie etwas nicht verstanden hat, wenn sie anfangen eigene kleine Texte auf Englisch zuschreiben oder wenn man mich unverhofft „ Do you have a boyfriend?“ fragt.

Bezüglich meines Theaterunterrichtes gibt es ebenfalls einige Neuigkeiten. Mein Ziel war und ist es bis zum Ende meiner Zeit ein eigenes Theaterstück auf die Beine zu stellen. Ich habe das Buch „Der Chronist der Winde“ von Henig Mankell gelesen und war begeistert von der Geschichte, sodass ich ein Theaterstück auf Grundlage dieser mit den Jugendlichen erstellen wollte. Das Skript ist schon lange fertig, nur zu den eigentlichen Proben ist es einige Zeit irgendwie nicht richtig gekommen. Von daher habe ich mit den anderen Lehrern des TSE besprochen, dass ich eine Woche lang alleine Theater unterrichten werde um das Stück endlich fertig zu stellen. Das hat auch gut geklappt. Letzte Woche war ich dann auf einmal die einzige Lehrerin im TSE und habe eine Woche lang unterrichtet. Wir haben nicht nur das Theaterstück fertig gestellt, sondern ich habe auch das Gefühl, die Jugendlichen in dieser Woche noch einmal besser kennen gelernt zu haben, was ich sehr schön finde. Das Theaterstück soll dann auf meiner Abschlussparty im TSE aufgeführt werden. Die Feier findet Ende August statt, auf der nicht nur ich verabschiedet werden soll, sondern auch mein Nachfolger willkommen geheißen wird. Es wird also ein großes Essen geben, die Jugendlichen werden Tanz und Theater vorführen und wir werden alle nochmal nett zusammensitzen. Auch das andere Theaterprojekt des Hamburger Regisseurs Michael Leye ist im vollen Gange. Die Proben werden, bis Michael Leye im September wieder nach Dar es Salaam kommt, weitergehen. Im September wird das Stück dann fertig gestellt und im Oktober fliegen wir alle zusammen nach Deutschland. Ich heiße euch hiermit auch alle willkommen euch das Stück anzuschauen. Wir werden Aufführungen in Hamburg und Nürnberg haben. Die genauen Daten werde ich euch noch durchgeben.
Wie ihr seht, hat sich in den letzten Wochen nochmal einiges entwickelt. Was jedoch wohl am wichtigsten für die weitere Entwicklung des TSE ist, ist die Tatsache, dass wir Ende nächster Woche umziehen werden. Ich habe euch in meinen ersten Mails geschrieben, dass der Platz im TSE schon lange zu klein ist. Das Office ist vollgestopft, mit Computern, Tanz- und Theaterequipment, einem großen Wasserkanister und Stühlen. Der Hinterhof war mal groß bis der Vermieter des TSE auf die Hälfte der Fläche eine Bar gebaut hat. Das hat den TSE Jugendlichen nicht nur ihren Trainingsplatz weggenommen, sondern es war auch nicht schön mit anzusehen, wie kleine Kinder und Jugendliche neben betrunkenen Erwachsenen spielen mussten. Eigentlich sollte das TSE schon Anfang des Jahres umziehen, was dann jedoch wegen Geldmangel und einer fehlenden Platzalternative nicht geklappt hat. Es gab dann ziemlich lange Diskussionen mit dem Vermieter, bis wir es geschafft haben, doch noch bis August bleiben zu dürfen. Wir haben nun schließlich ein neuen Platz gefunden, der wirklich schön ist und im gleichen Viertel wie das alte Gebäude ist. Das ist sehr wichtig, damit weiterhin die gleichen Jugendlichen kommen können. Die Miete ist erst für ein Jahr bezahlt und wie es danach weitergeht weiß wohl noch keiner so genau. Das eigentliche Ziel war es ein eigenes Gebäude zu kaufen. Nun kann das TSE aber erstmal für ein weiteres Jahr aufrecht erhalten werden. Ende nächster Woche werden wir also umziehen. Ich werde mich in dem neuen Gebäude wohl nicht mehr richtig zu Hause fühlen. Für mich hat sich mein Freiwilligenjahr eben einfach in dem alten Gebäude abgespielt. Dafür wird mein Vorgänger dann wesentlich mehr Platz zum Unterrichten haben und es wird wohl insgesamt zu einem kleinen Neuanfang mit neuem Gebäude und neuem Freiwilligen kommen.
Ja, die Tatsache, dass in einer Woche unsere Nachfolger kommen, ist sehr merkwürdig. Man wird unwillkürlich an die Situation vor einem Jahr erinnert, in der man selbst neu nach Tansania gekommen ist. In dieser vollkommen andere Welt. Man wird an die ersten Kiswahili Versuche erinnert, an seinen ersten Arbeitstag, an seine erster richtigen Begegnungen mit der neuen Kultur und an diese ganzen wertvollen, schönen, spannenden, jedoch auch teilweise sehr anstrengenden Momente dieses Jahres. Man wird daran erinnert, was man alles gelernt hat und wie sehr sich der Blick auf manche Dinge verändert hat. Auf Reichtum und Armut, auf Christentum und Islam, auf Europa und Afrika. Die Tatsache, dass ich in wenigen Wochen in Deutschland sein werde, versetzt mich an manchen Tagen in Schrecken und an anderen Tagen in Freude. Ich freue mich drauf all die lieben Menschen, meine Freunde und meine Familie, wiederzusehen. Ich freue mich auf das Essen und auf Annehmlichkeiten wie eine Waschmaschine. Außerdem auf grundlegende Dinge, wie über die Straße zu gehen und einfach nicht aufzufallen, was hier auf Grund der Hautfarbe einfach ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ich freue mich darauf wieder kürzere Kleidung tragen zu können und darauf mal wieder „in der Menge unterzugehen“. Ich freue mich darauf mich mit Männern unterhalten zu können ohne dabei Heiratsanträge zu bekommen.
Und andererseits wird es unglaublich viele Dinge geben, die ich in Deutschland vermissen werde. Das Leben draußen, auf der Straße. Das Gefühl zu haben als Land mit allen Menschen in einer großen Gemeinschaft zu leben. Die Gastfreundschaft und die Lebensfreude. Die Arbeit im TSE, die Jugendlichen und meine lieben Kollegen, die mir wirklich ans Herz gewachsen sind. Ich werde vermissen, dass es in Tansania anders als in Deutschland zu jedem Problem eine Lösung gibt. Ich werde die Gelassenheit vermissen und die vielen netten, kurzen und spontanen Gespräche mit wildfremden Menschen. Ich werde es vermissen, jeden Menschen auf der Straße nett zu grüßen auch wenn ich ihn nicht kenne und wahrscheinlich werde ich sogar nach einiger Zeit das Hauptgericht Reis und Bohnen vermissen, dass ich jetzt langsam nicht mehr sehen kann. Wie ihr merkt, werde ich mit sehr gemischten Gefühlen wieder nach Deutschland fliegen. Ich versuche darum meine restliche Zeit hier noch zu genießen und die Dinge zu tun, die ich hier noch unbedingt machen will.

Ich wünsche euch allen weiterhin schöne Sommertage in Deutschland mit Grillen, am See oder im Schwimmbad liegen und viel Lebensfreude und genussvollen Momenten.

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