Freitag, 1. November 2013

Wieder in Deutschland

Ich bin schon seit einem Monat wieder in Deutschland. Die letzen Wochen war ich zusammen mit sieben anderen Tansaniern aus meinem Projekt in Hamburg und wir haben eine tolle Theaterperformence auf die Bühne gebracht.
Hier poste ich euch nun einmal meinen Abschlussbericht. Man kann ein ganzes Jahr schwer in einem Bericht zusammenfassen. Einige Eindrücke werdet ihr aber bestimmt bekommen.
Viel Spaß beim Lesen. Über Feedback freue ich mich immer.

Weltwärts nach Tansania
August 2012 – August 2013
Paula Högermeyer

Ich habe ein Jahr lang in der Millionenstadt Dar es Salaam gelebt und im Rahmen des Weltwärts Programmes in dem Jugendzentrum „Talent Search and Empowerment“ gearbeitet. Dar es Salaam liegt am Indischen Ozean in Tansania, Afrika. In diesem Bericht werde ich versuchen einen Einblick über das TSE, meine Arbeit als Praktikantin und meinen Erfahrungen mit Land und Leuten zu geben.

Aller Anfang ist schwer ?“
Bevor ich mit meinen drei Mitfreiwilligen im August 2012 nach Dar es Salaam geflogen bin, hatten wir ein zweiwöchiges Vorbereitungsseminar. Nach diesen zwei Wochen hatte ich das Gefühl viele wichtige Dinge über Tansania und dessen Kultur gelernt zu haben und hatte Lust mich auf den Weg in ein neues Abenteuer zu machen. Als ich dann das erste Mal tansanischen Boden betrat, war alles spannend, neu und aufregend. Nach den ersten Tagen in Dar es Salaam wurde mir jedoch die Tragweite meiner Entscheidung bewusst. Ich würde ein Jahr lang in einem komplett anderen Land leben ohne zu wissen, was mich in diesem Jahr erwartet. Den Spruch „Aller Anfang ist schwer“ kann ich nicht ganz abstreiten. In der Anfangszeit deines Freiwilligenjahres ist dir deine eigene Andersartigkeit zu jeder Minute des Tages bewusst. Dies kann zu einer Daueranstrengung werden. Die Menschen um dich herum sehen anders aus und sie sprechen eine Sprache, die du kaum verstehst. Normale Dinge wie Einkaufen gehen, Bus fahren oder jemanden auf der Straße grüßen, werden zu Aufgaben die du dir täglich stellst. Am Anfang war ich deshalb häufig müde und habe mir öfter Zeit genommen auch einfach nur zu Hause zu sein, die Ereignisse der letzten Tage zu verarbeiten und mich ein bisschen auszuruhen. Nach den ersten acht Wochen hatte ich jedoch das Gefühl mich in Dar es Salaam immer wohler zu fühlen. Das lag wohl vor allem an meiner Arbeitsstelle dem TSE, wo ich nicht nur gearbeitet habe, sondern auch gute Freunde fand.

Das Projekt „Talent Search and Empowerment“
Das Jugendzentrum „Talent Search and Empowerment“ bietet betreute Freizeitbeschäftigungen für benachteiligte Jugendliche aus dem Dar es Salaamer Stadtteil Ubungo Kibangu an. Die Beschäftigungen reichen von Musik- und Theaterunterricht über Fußball bis hin zu Computer- sowie Schneiderunterricht. Zur Zeit betreut das TSE insgesamt ca. 60 Schüler, die sich auf die verschiedenen Angebote verteilen.
Während des Theaterunterrichts lernen die Schüler Theaterstücke zu interpretieren oder eigene Stücke zu schreiben und diese dann auf die Bühne zu bringen. Der Tanz- und Trommelunterricht besteht zu beiden Teilen aus traditionellem Tanz „ngoma“ und modernem Tanz. Während des Unterrichtes wird außerdem das Spielen von Instrumenten wie Gitarre, Keyboard, Trommeln und Marimba erlernt. Musik spielt im TSE eine große Rolle. Viele Schüler schreiben eigene Texte, die gesungen oder gerappt werden und von denen schon viele in einem benachbarten Musikstudio vertont wurden. Der Computerunterricht findet vormittags im TSE statt und die Schüler lernen grundlegende Computerkenntnisse. Der Zugang zu Computern und damit zu Informationen durch das Internet ist in Tansania nur begrenzt und nicht für alle Teile der Gesellschaft zugänglich. Das TSE versucht mit den Computerschulungen dieser Tatsache entgegenzuwirken. Die Schneider – und Fußballklasse findet außerhalb des TSE statt. Die Schneiderklasse hat vor allem das Ziel jungen Frauen durch das erlernte Wissen bessere Berufschancen zu bieten. Schneider werden in ganz Tansania gebraucht. Der Fußballunterricht kommt dem Wunsch vieler junger Männer, nach einem professionellen Fußballtraining mit Equipment und ausgebildetem Trainer, entgegen. Zur Zeit besteht das TSE aus dem Chef Alfred, der Sekretärin und Computerlehrerin Haika, der Theaterlehrerin Aisha, dem Tanzlehrer Oliver und Hamis, der für Video- und Musikproduktion zuständig ist sowie dem jährlich wechselnden deutschen Freiwilligen.
Das TSE versucht mit den beschriebenen Freizeitbeschäftigung vor allem die große Chancenungleichheit zwischen Privatschülern und Schülern staatlicher Schulen zu lindern. Schüler staatlicher Schulen haben meist keine Chance eine gute Bildung zu erlangen, ihre Fähigkeiten und Talente zu entdecken oder sie zu verwirklichen. Das TSE versucht junge Menschen zu fördern und somit ihre Lebensbedingungen langfristig zu verbessern. Sei es, dass die Schüler durch ihr erlerntes Wissen im TSE später besser Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, oder das einfach ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl durch das fördern und anerkennen von Talenten gestärkt wird.

Meine Arbeit als Praktikantin:
Als mir vor einem Jahr von meiner Endsendeorganisation Kawaida gesagt wurde, dass ich für das kommende Jahr in dem Jugendzentrum „Talent Search and Empowerment“ arbeiten werde, konnte ich mir darunter erstmal nichts weiter vorstellen. Ich habe mich eher generell darüber gefreut, für ein Jahr in Tansania leben zu können.
Als ich letztes Jahr im August angefangen habe zu arbeiten, wurde mir schnell klar, dass das TSE mehr als eine Arbeitsstelle ist. Es ist ein Ort an dem sich Jugendliche treffen, die sich schon seit vielen Jahren kennen. Die durch ihre Zeit in der sie gemeinsam getanzt, gesungen, geschauspielert oder Fußball gespielt haben zu einer Gruppe zusammen gewachsen sind. Für viele Schüler ist das TSE mehr als nur ein Jugendzentrum. Es ist ein richtiges zu Hause.
Da es mir am Leichtesten erschien, führte ich zunächst die Ideen meiner Vorgängerin Franziska weiter. Ich beschäftigte mich vor allem mit den jüngeren Kindern des TSE, setzte mich mit Decken hinten auf den Hof, flechtete Armbänder, malte Mandalas oder entwarf Schmuck mit ihnen. Es war eine Aufgabe, bei der es nicht all zu sehr auf die Kommunikation ankam und bei der ich die Kinder des Jugendzentrum nach und nach kennenlernen konnte. Außerdem führte ich den Deutschunterricht meiner Vorgängerin weiter. Ich beschloss jedoch auch noch Englisch zu unterrichten. Nach ca. drei Monaten hatte es sich etabliert, dass ich zwei Mal nachmittags Englisch unterrichtete und einmal die Woche Deutsch. Die Stunden gaben meinem Arbeitstag zum ersten Mal eine gewisse Struktur und ich wusste morgens, was ich an diesem Tag zu tun haben würde, was in der Anfangszeit im TSE auch häufig nicht der Fall war. Mein Unterricht verbesserte sich schlagartig, als ich jedem Schüler ein Heft gekauft habe, die ich Ende des Unterrichts wieder einsammelte. Außerdem entwarf ich ein Klassenbuch, in das ich eintrug welche Schüler zu meinem Unterricht erschienen und welche nicht. In der Hälfte meines Jahres, bekam das TSE großen Zuwachs durch eine Gruppe von Secondary- Schülerinnen. Mein Unterricht wurde nachmittags auf zwei Gruppen erweitert. Ich unterrichtete meine alten Schüler, die schon mehr Englischkenntnisse hatten als die Neuen, zwei Mal die Woche und die Secondary Schülerinnen, an anderen zwei Tagen. Genau in dieser Zeit hatte ich das Gefühl meinen Schülern wirklich viel beizubringen, viele kamen sehr regelmäßig zum Unterricht und ich hatte das Gefühl, das sie wirklich Spaß daran gefunden haben, Englisch zu lernen. Diese Motivation nahm am Ende meines Freiwilligenjahres leider bei vielen Schülern wieder ab. Viele der Secondary Schülerinnen sind nach einigen Monaten einfach nicht mehr ins TSE gekommen und somit gab es Tage an denen ich manchmal nur einen oder zwei Schüler hatte. Somit konnte ich meinen Unterricht nicht mehr aufeinander aufbauen und habe häufig wieder von vorne angefangen. Zum Ende hin habe ich mit den Schülern die da waren, Lieder auf Englisch gesungen, Memory mit englischen Vokabeln gespielt oder einfach nur noch ein bisschen Englisch mit ihnen gesprochen. Ich hatte das Gefühl, dass es keinen Sinn hat mit Grammatik, Satzbau oder Vokabeltest immer wieder von vorne anzufangen. Was sich jedoch als durchgängig erfolgreich herausgestellt hat, war mein Englischunterricht den ich vormittags mit zwei Einzelschülerinnen abgehalten habe. Jede Schülerin habe ich jeweils eine Stunde von Montag bis Freitag unterrichtet. Eine meiner Schülerinnen habe ich ein halbes Jahr unterrichtet und sie hat ihren Kurs abgeschlossen, als auch meine Zeit im TSE vorbei war. Die andere Schülerin wird mein Nachfolger Cornelius weiterhin unterrichten. Gerade bei einer meiner Schülerin hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich ihr viel beigebracht habe was ein schönes Gefühlt ist. Wir haben mit einfachen Dingen wie Begrüßungen, den Farben, den Wochentagen und Monaten auf Englisch begonnen. Zum Schluss konnte sie Simple Past, Simple Present und Futur bilden, sie konnte ganze Texte schreiben und ich habe mich mit ihr während meines Unterrichts nur auf Englisch unterhalten.
Ein weiterer Teil meiner Arbeit im TSE war die Arbeit zusammen mit der Sekretärin Haika im Büro. Dadurch, dass mir im Office recht schnell sehr viel Verantwortung übertragen wurde, bekam ich schnell Sicherheit in dem was ich tat. Trotzdem habe ich mich noch häufig gefragt, warum gerade mir als Praktikantin soviel Verantwortung in so kurzer Zeit übertragen wurde. Ich musste viele finanzielle Dinge für das TSE regeln, war für Spendengelder zuständig, habe Buchhaltung im TSE geführt und musste Belege für Ausgaben schreiben und einsammeln. Schließlich sollte ich auch noch dafür zuständig sein, den Lehrern im TSE ihre monatlichen Gehälter auszuzahlen, wogegen ich mich dann aber letzten endlich gewehrt habe, was in einem Streit mit meinem Chef endetet. Ich habe erstens nicht verstanden, warum gerade mir als neue Praktikantin soviel Verantwortung übertragen wurde und gleichzeitig wollte ich nicht als einzige Weiße immer wieder mit Geld in Verbindung gebracht werden. Würde ich den Lehrern im TSE jeden Monat ihr Gehalt ausstellen, würde es nach meiner Ansicht so aussehen, als ob ich sie persönlich bezahlen würde. Dieses Bild wollte ich nicht schaffen und habe mich schließlich auch gegen den Willen meines Chefs Alfred durchgesetzt. Obwohl ich mit Alfred anfängliche Schwierigkeiten hatte, wurde die Zusammenarbeit mit ihm nach und nach immer besser, was mir meine Arbeit im TSE letztendlich wirklich erleichtert hat. Eine weitere Aufgabe im Office war es die monatlichen Reporte der Lehrer über ihre Arbeit im TSE von Englisch auf Kiswahili zu übersetzen. Im ersten halben Jahr meiner Zeit haben die Jugendlichen außerdem eine Brieffreundschaft mit dem Jugendclub Burgwedel in Hamburg geführt. Ich habe die Briefe der Schüler von Kiswahili auf Deutsch übersetzt, habe Bilder gemacht und dies dann verschickt.
Ein großer Bestandteil meiner Arbeit im TSE war außerdem der Theaterunterricht. Ich habe meine Arbeit mit dem Wunsch angefangen, selber Theaterunterricht zu geben. Dies hat sich jedoch als gar nicht so einfach herausgestellt. Mir wurde bewusst, wie sehr man beim Theater doch auf die Sprache angewiesen ist, die ich ja am Anfang noch kaum gesprochen habe. Deshalb habe ich zu Beginn vor allem, beim Theaterunterricht der tansanischen Lehrerin Aisha zugeschaut oder habe selber mitgemacht. Bis ich wirklich selber unterrichten konnte, hat es einige Zeit gedauert. Wirklich angefangen eigene Ideen umzusetzen, habe ich erst im Zug des Theaterprojektes mit dem Hamburger Regisseur Michael Leye. Es sollte ein Theaterprojekt auf die Beine gestellt werden, was Aufführungen in Deutschland sowie in Tansania zum Ziel hat. Michael Leye ist im März das erste Mal nach Tansania gekommen und es fand ein dreiwöchiges Training statt, bei dem entschieden wurde, dass vier Schüler und drei Lehrer des TSE die Chance bekommen, im Oktober für drei Wochen nach Deutschland zu reisen um das Ergebnis des Projektes mit Hamburger Jugendlichen gemeinsam zu präsentieren. Während des Trainings in Tansania wurde zuerst über das Thema des Projektes - wo, wann und warum man sich zu Hause fühlt - diskutiert. Anschließend wurde dann auf Grundlage eines Theaterstückes, was ich im Voraus zusammen mit der Theaterlehrerin Aisha zusammen erstellt habe, erste Szenen erprobt und gefilmt. Nachdem Michael Leye wieder nach Deutschland gereist ist, haben wir von April bis September ein zwei Mal in der Woche stattfindendes Training etabliert um Szenen zum Thema zu Hause einzustudieren und neue Ideen umzusetzen. Im September ist Michael Leye wieder nach Dar es Salaam gekommen und wir fingen an täglich für unsere Theaterstück zu proben. Diese Proben gingen einen Monat lang. Meine Aufgabe war es während der gesamten Proben zu übersetzen, sowie als Projektassistentin Michael Leye zu unterstützen. Diese Zeit war sehr interessant und spannend für mich. Erstens konnte ich mich mit Theater beschäftigen, was genau das war, was ich in meiner Zeit als Freiwillige im TSE erreichen wollte. Außerdem gab es mir die Chance noch mehr und noch besser Kiswahili zu sprechen, da ich während meiner Zeit als Übersetzerin wirklich viel Neues dazu gelernt habe.
Im Zuge des Theaterprojektes habe ich Mitte Februar mein erstes Theaterstück zusammen mit Aisha zum Thema zu Hause erstellt. Während der Probenzeit, kurz bevor Michael Leye im März gekommen ist, sind wir mit den Schülern des TSE für einen Tag zum Strand gefahren und haben dort für unser Stück trainiert. Dieser Tag bleibt mir auf jeden Fall als einer der schönsten im TSE in Erinnerung. Nachdem Michael Leye Ende April wieder gefahren ist, haben Aisha und ich neben den zwei Mal in der Woche stattfindenden Proben, normal Theater im TSE weiter unterrichtet. Während des Unterrichts habe ich dann noch ein eigenes Theaterstück auf Grundlage des Buches „Der Chronist der Winde“ von Henning Mankell erstellt. Auch wenn meine ersten Ideen sehr von der eigentlichen Umsetzung des Stückes abweichen, war es schön mit den Jugendlichen ein Stück einzustudieren, zu sehen, wie sie ihre eigenen Ideen mit einbringen und Spaß und Freude am Theaterspielen haben. Im Zuge der Proben, habe ich eine Woche lang jeden Tag alleine im TSE unterrichtet, wobei ich auch das Gefühl hatte, die Schüler nochmals besser kennenzulernen, was ich sehr schön fand.
Ein weiteres Ziel der Lehrer und mir war es, eine einmal im Monat stattfindenden „TSE Community Show“ zu veranstalten. Die Schüler sollten ihr Können in Tanz und Theater auf die Bühne bringen und es Gästen aus Nachbarschaft, Familie und Freundeskreis präsentieren. Obwohl die Show aus Geldgründen, nicht jeden Monat stattfinden konnte, waren die Male, bei denen es geklappt hat, sehr schön und die Jugendlichen hatten Spaß daran ihr Können anderen zu präsentieren. Wenn genug Geld vorhanden war, haben wir morgens zusammen gekocht und alle Gäste haben Essen und Soda bekommen.
Eines der letzten Ereignisse die in die Zeit meines Freiwilligenjahres gefallen ist, ist der Umzug des TSE in ein neues und viel größeres Gebäude. Dieser Schritt ist schon seit Jahren notwendig, ließ sich jedoch aus Geldmangel nicht realisieren. Das alte Gebäude des TSE bestand aus einem sehr kleinen Computerraum und einem winzigen Office. Im Computerraum wurde gleichzeitig das Equipment für Theater- und Tanzunterricht aufbewahrt, sodass kaum Platz herrschte. Der Unterricht fand auf dem Hinterhof statt, der sich jedoch rapide verkleinert hat, seit der Vermieter des TSE auf die Hälfte des Hofes eine Bar hat bauen lassen. Somit blieb auch für das nachmittägliche Training nicht viel Platz. Nachdem wir aus Geldgründen Anfang des Jahres nicht umziehen konnten, haben wir eine Mietvertragsverlängerung bis Ende Juli durchsetzen können. Schließlich konnten wir Anfang August in das viel größere Gebäude umziehen, in dem die Schüler nun wirklich viel Platz zum trainieren haben. Die Mietvertrag gilt jedoch vorerst nur für ein Jahr. Wie es danach weitergeht, weiß bis heute noch keiner so genau.
Wie alles hatte auch die Arbeit im TSE ihre guten und schlechten Seiten. Innerhalb meines Jahres hat es mich immer wieder gestört, dass ich häufig mit meinen Vorgängerinnen verglichen wurde. Ich wollte jedoch meine ganz eigenen Ideen umsetzen, Erfahrungen sammeln und nicht früheren Freiwilligen nacheifern. Auch mit meinem Chef Alfred hatte ich anfängliche Schwierigkeiten. Häufig hatte ich das Gefühl, dass meine Arbeit von ihm nicht anerkannt wird, dass er Positives nicht beachtet, es aber besonders betont, wenn ich etwas schlecht oder falsch gemacht habe. Dies hat sich jedoch im Laufe meiner Zeit geändert und zum Schluss hatte ich immer mehr das Gefühl, dass er meine Arbeit akzeptiert und sie gutheißt, obwohl er mir das nie persönlich gesagt hat.
Was mir über das ganze Jahr geholfen hat, war der positive Rückhalt der anderen Lehrer im TSE. Sie haben mich immer in meiner Arbeit und meinen Ideen unterstützt und haben mir Tipps und Ratschläge gegeben. Außerdem waren sie es, die mir am meisten Kiswahili beigebracht haben. Ich habe die freundliche und offene Arbeitsatmosphäre im TSE immer sehr genossen und hatte das Gefühl die Freiheit zu haben, alles auszuprobieren was ich möchte. Und somit ist das TSE innerhalb eines Jahres auch für mich nicht nur eine Arbeitsstelle gewesen, sondern auch ein Ort geworden, an dem ich mich zu Hause gefühlt habe.

Das Leben in Dar es Salaam
Wie ist das Leben in einer afrikanischen Millionenstadt wie Dar es Salaam? Diese Frage ist schwer zu beantworten für Menschen die noch nie hier waren.
Dar es Salaam ist eine Stadt der krassen Gegensätze. Es gibt Tage da möchte ich einfach nur weg hier. Es ist dreckig, der Smog von kaputten Auspuffen schlägt mir entgegen, die Sonne brennt vom Himmel und lässt einem keine Chance nicht aus allen Poren des Körpers zu schwitzen. Es gibt Tage, da stehe ich bei 40 Grad Hitze drei Stunden lang im Stau, für eine Strecke die eine halbe Stunde dauert. Ich sehe Straßenkinder, die barfuß durch die Reihen von wartenden Autos gehen um sich mit dem Putzen von Windschutzscheiben über Wasser zu halten. Meistens werden sie weg gescheucht. Ich sehe Menschen die schwere Lasten auf ihren Köpfen oder ihren Schultern tragen, die müde sind von ihrer Arbeit und sie trotzdem verrichten, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Ich sehe Menschen die verkrüppelte Arme oder Beine haben, Menschen mit Narben am ganzen Körper, junge Kinder, deren Zähne schon alle braun sind.
Und dann gibt es diese anderen Tage. An diesen Tage, kann ich mir keinen schöneren Platz auf der Welt vorstellen als Dar es Salaam. Mir weht ein leichter Wind um die Nase, ich gehe durch mein Viertel, grüße die Menschen um mich herum und jeder grüßt freundlich zurück.Ich gehe durch die Gassen und habe das Gefühl, dass alle Menschen dieser Stadt in dem Bewusstsein leben, eine große Gemeinschaft zu sein. Das zeigen mir die vielen kurzen und spontanen Gespräche mit fremden Menschen, die Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft und Offenheit der Leute. Ich bemerke, dass hinter dem vorerst nicht zu bewältigendem Chaos von Straßen, Autos, Märkten und Menschenmassen, immer ein System und ein Plan steht, der unglaublicher weise auch funktioniert. Ich sehe Kinder, die miteinander spielen und glücklich sind, ich sehe Familien zusammen auf ihren Höfen sitzen und sich Geschichten erzählen, ich sehe offene, lächelnde und interessierte Gesichter.
Was bedeutet Dar es Salaam für mich? Wahrscheinlich setzt sich diese Bedeutung aus den unzähligen vielen kleinen und alltäglichen Situationen zusammen, die ich hier ein Jahr lang erlebt habe:

Wir besuchen zusammen mit unserem Vorgänger einen Freund von ihm. Wir fahren fast zum anderen Ende der Stadt und werden als wir ankommen auf eine Terrasse mit Blick auf die Straße geführt. Dort wird uns ein großes Essen bestehend aus Reis, Bohnen, Spinat, Obst und Soda geboten. Der Freund erzählt viel und ich verstehe fast kein Wort, weil ich erst eine Woche in Tansania bin. Ich bin überwältigt von der Gastfreundschaft und der Selbstverständlichkeit, dass man jeden Gast gleichzeitig wie einen Freund behandelt.

Ich stehe an einer Haltestelle und warte auf den Bus nach Hause. Es ist 18:00 Uhr abends und es fängt an zu dämmern. Die Menschen kommen von der Arbeit und wollen nach Hause. Ich warte nicht alleine auf den Bus. Es warten Viele. Wir sehen den Bus von Weitem. Wir wollen alle in die gleiche Richtung. Wir fangen an, in die Fahrtrichtung des Busses zu rennen und passen unsere Geschwindigkeit so an, dass wir irgendwann auf der Höhe der Bustür sind. Es gibt 20 freie Sitzplätze und 40 Passagiere. Die Ersten fangen an durch das Fenster in den Bus zu springen. Der Gedränge an der Tür beginnt. Wer am stärksten ist, bekommt einen Platz. Der Kondakter steht neben dem Gedränge schaut sich das Treiben an und schreit die jeweiligen Haltestellen um noch mehr Fahrgäste anzulocken.

Ich besuche die Tanzgruppe einer Freundin von mir und nehme bei 40 Grad Außentemperatur am Training teil. Wir tanzen drei Stunden lang und sind danach so durchgeschwitzt, dass man unsere T- Shirts auswringen kann.

Es wird mir häufig ins Gesicht gesagt, dass mein Bauch schön dick ist und ich weiterhin zunehmen soll. Es bedeutet automatisch, dass es dir gut geht, es dir im Leben gerade an nichts fehlt und du bei guter Gesundheit bist. Ein verstecktes Kompliment was man selbst, geprägt durch das europäische Schönheitsideal, erstmal als solches erkennen muss.

Wir fahren in einem Bajaj. Eine Art Dreirad mit Motorenantrieb, mit dem höchstens drei Leute befördert werden können. Wir sitzen zu Neunt im Bajaj als uns ein Polizeiauto entgegenkommt. Wir werden angehalten. Unser Fahrer bezahlt umgerechnet einen Euro Schmiergeld und wir fahren weiter.

Ich sehe in diesem Jahr unglaublich viele lachende Gesichter. Menschen, die mir mit offenem Blick begegnen, die mich grüßen und sich freuen, dass ich mich mit ihnen unterhalte. Verkäufer, die mir Orangen schenken, weil sie sich freuen, dass ich Kiswahili spreche. Alte Männer und Frauen, die sich freuen, wenn ich sie mit der höflichen Grußformel „Shikamoo“ begrüße, anstatt ohne einen Gruß an ihnen vorbei zu gehen. Kinder rennen hinter mir her und schreien mir so lange „How are you“ hinterher bis ich sie grüße und mich einige Minuten mit ihnen beschäftige.

Die Zeit nach dem Freiwilligendienst
Wie alle Freiwilligen stelle auch ich mir die Frage, was ich in Deutschland nach meiner Zeit in Tansania machen möchte. Ich habe den Wunsch mich nächstes Jahr für ein Studium in die Richtung „Internationale Beziehungen“ oder „Afrikawissenschaften“ zu bewerben. Ein weiteres Ziel ist es einige Zeit im englischsprachigen Ausland zu verbringen um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Außerdem wird es wohl auch nicht allzu lange dauern, bis ich wieder zurück nach Tansania reisen werde.

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