Hier poste ich euch nun einmal meinen Abschlussbericht. Man kann ein ganzes Jahr schwer in einem Bericht zusammenfassen. Einige Eindrücke werdet ihr aber bestimmt bekommen.
Viel Spaß beim Lesen. Über Feedback freue ich mich immer.
Weltwärts
nach Tansania
August
2012 – August 2013
Paula
Högermeyer
Ich habe
ein Jahr lang in der Millionenstadt Dar es Salaam gelebt und im
Rahmen des Weltwärts Programmes in dem Jugendzentrum „Talent
Search and Empowerment“ gearbeitet. Dar es Salaam liegt am
Indischen Ozean in Tansania, Afrika. In diesem Bericht werde ich
versuchen einen Einblick
über das TSE, meine Arbeit als Praktikantin und meinen Erfahrungen
mit Land und Leuten zu geben.
„Aller
Anfang ist schwer ?“
Bevor
ich mit meinen drei Mitfreiwilligen im August 2012 nach Dar es Salaam
geflogen bin, hatten wir ein zweiwöchiges Vorbereitungsseminar. Nach
diesen zwei Wochen hatte ich das Gefühl viele wichtige Dinge über
Tansania und dessen Kultur gelernt zu haben und hatte Lust mich auf
den Weg in ein neues Abenteuer zu machen. Als ich dann das erste Mal
tansanischen Boden betrat, war alles spannend, neu und aufregend.
Nach den ersten Tagen in Dar es Salaam wurde mir jedoch die Tragweite
meiner Entscheidung bewusst. Ich würde ein Jahr lang in einem
komplett anderen Land leben ohne zu wissen, was mich in diesem Jahr
erwartet. Den Spruch „Aller Anfang ist schwer“ kann ich nicht
ganz abstreiten. In der Anfangszeit deines
Freiwilligenjahres ist dir
deine eigene Andersartigkeit zu jeder Minute des Tages
bewusst. Dies kann zu einer Daueranstrengung werden. Die Menschen um
dich herum sehen anders aus und sie sprechen eine Sprache, die du
kaum verstehst. Normale Dinge wie Einkaufen gehen, Bus fahren oder
jemanden auf der Straße grüßen, werden zu Aufgaben die du dir
täglich stellst. Am Anfang war ich deshalb häufig müde und habe
mir öfter Zeit genommen auch einfach nur zu Hause zu sein, die
Ereignisse der letzten Tage zu verarbeiten und mich ein bisschen
auszuruhen. Nach den ersten acht Wochen hatte ich jedoch das Gefühl
mich in Dar es Salaam immer wohler zu fühlen. Das lag wohl vor allem
an meiner Arbeitsstelle dem TSE, wo ich nicht nur gearbeitet habe,
sondern auch gute Freunde fand.
Das
Projekt „Talent Search and Empowerment“
Das
Jugendzentrum „Talent Search and Empowerment“ bietet betreute
Freizeitbeschäftigungen für benachteiligte Jugendliche aus dem Dar
es Salaamer Stadtteil Ubungo
Kibangu an. Die Beschäftigungen reichen von Musik- und
Theaterunterricht über Fußball bis hin zu Computer- sowie
Schneiderunterricht. Zur Zeit betreut das TSE insgesamt ca. 60
Schüler, die sich auf die verschiedenen Angebote verteilen.
Während
des Theaterunterrichts lernen die Schüler Theaterstücke zu
interpretieren oder eigene Stücke zu schreiben und diese dann auf
die Bühne zu bringen. Der Tanz- und Trommelunterricht besteht zu
beiden Teilen aus
traditionellem Tanz „ngoma“ und modernem Tanz. Während des
Unterrichtes wird außerdem das Spielen von Instrumenten wie Gitarre,
Keyboard, Trommeln und Marimba
erlernt. Musik spielt im TSE eine große Rolle. Viele Schüler
schreiben eigene Texte, die gesungen oder gerappt werden und von
denen schon viele in einem benachbarten Musikstudio vertont wurden.
Der Computerunterricht findet vormittags im TSE statt und die Schüler
lernen grundlegende Computerkenntnisse. Der Zugang zu Computern und
damit zu Informationen durch das Internet ist in Tansania nur
begrenzt und nicht für alle Teile der Gesellschaft zugänglich. Das
TSE versucht mit den Computerschulungen dieser Tatsache
entgegenzuwirken. Die Schneider – und Fußballklasse findet
außerhalb des TSE statt. Die Schneiderklasse hat vor allem das Ziel
jungen Frauen durch das erlernte Wissen bessere Berufschancen zu
bieten. Schneider werden in ganz Tansania gebraucht. Der
Fußballunterricht kommt
dem Wunsch vieler junger Männer, nach einem professionellen
Fußballtraining mit Equipment und ausgebildetem Trainer, entgegen.
Zur Zeit besteht das TSE aus dem Chef Alfred, der Sekretärin und
Computerlehrerin Haika, der Theaterlehrerin Aisha, dem Tanzlehrer
Oliver und Hamis, der für Video- und Musikproduktion zuständig ist
sowie dem jährlich wechselnden deutschen Freiwilligen.
Das
TSE versucht mit den beschriebenen Freizeitbeschäftigung vor allem
die große Chancenungleichheit zwischen Privatschülern und Schülern
staatlicher Schulen zu lindern. Schüler staatlicher Schulen haben
meist keine Chance eine gute Bildung zu erlangen, ihre Fähigkeiten
und Talente zu entdecken oder sie zu verwirklichen. Das TSE versucht
junge Menschen zu fördern und somit ihre Lebensbedingungen
langfristig zu verbessern. Sei es, dass die Schüler durch ihr
erlerntes Wissen im TSE später besser Chancen auf dem Arbeitsmarkt
haben, oder das einfach ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl
durch das fördern und
anerkennen von Talenten
gestärkt wird.
Meine
Arbeit als Praktikantin:
Als mir
vor einem Jahr von meiner Endsendeorganisation Kawaida gesagt wurde,
dass ich für das kommende Jahr in dem Jugendzentrum „Talent Search
and Empowerment“ arbeiten werde, konnte ich mir darunter erstmal
nichts weiter vorstellen. Ich habe mich eher generell darüber
gefreut, für ein Jahr in Tansania leben zu können.
Als ich
letztes Jahr im August angefangen habe zu arbeiten, wurde mir schnell
klar, dass das TSE mehr als eine Arbeitsstelle ist. Es ist ein Ort an
dem sich Jugendliche treffen, die sich schon seit vielen Jahren
kennen. Die durch ihre Zeit in der sie gemeinsam getanzt, gesungen,
geschauspielert oder Fußball gespielt haben zu einer Gruppe zusammen
gewachsen sind. Für viele Schüler ist das TSE mehr als nur ein
Jugendzentrum. Es ist ein richtiges zu Hause.
Da es
mir am Leichtesten erschien, führte ich zunächst die Ideen meiner
Vorgängerin Franziska weiter. Ich beschäftigte mich vor allem mit
den jüngeren Kindern des TSE, setzte mich mit Decken hinten auf den
Hof, flechtete
Armbänder, malte Mandalas oder
entwarf Schmuck mit ihnen. Es war eine Aufgabe, bei der es nicht all
zu sehr auf die Kommunikation ankam und bei der ich die Kinder des
Jugendzentrum nach und nach kennenlernen konnte. Außerdem führte
ich den Deutschunterricht meiner Vorgängerin weiter. Ich beschloss
jedoch auch noch Englisch zu unterrichten. Nach ca. drei Monaten
hatte es sich etabliert, dass ich zwei Mal nachmittags Englisch
unterrichtete und einmal die Woche Deutsch. Die Stunden gaben meinem
Arbeitstag zum ersten Mal eine gewisse Struktur und ich wusste
morgens, was ich an diesem Tag zu tun haben würde, was in der
Anfangszeit im TSE auch häufig nicht der Fall war. Mein Unterricht
verbesserte sich schlagartig, als ich jedem Schüler ein
Heft gekauft habe,
die ich Ende des Unterrichts wieder einsammelte. Außerdem entwarf
ich ein Klassenbuch, in das ich eintrug welche Schüler zu meinem
Unterricht erschienen und welche nicht. In der Hälfte meines Jahres,
bekam das TSE großen Zuwachs durch eine Gruppe von Secondary-
Schülerinnen. Mein Unterricht wurde nachmittags auf zwei Gruppen
erweitert. Ich unterrichtete meine alten Schüler, die schon mehr
Englischkenntnisse hatten als die Neuen, zwei Mal die Woche
und die Secondary Schülerinnen, an anderen zwei Tagen. Genau in
dieser Zeit hatte ich das Gefühl meinen Schülern wirklich viel
beizubringen, viele kamen sehr regelmäßig zum Unterricht und ich
hatte das Gefühl, das sie wirklich Spaß daran gefunden haben,
Englisch zu lernen. Diese Motivation nahm am Ende meines
Freiwilligenjahres leider bei vielen Schülern wieder ab. Viele der
Secondary Schülerinnen sind nach einigen Monaten einfach nicht mehr
ins TSE gekommen und somit gab es Tage an denen ich manchmal nur
einen oder zwei Schüler hatte. Somit konnte ich meinen Unterricht
nicht mehr aufeinander aufbauen und habe häufig wieder von vorne
angefangen. Zum Ende hin habe ich mit den Schülern
die da waren, Lieder auf Englisch gesungen, Memory mit englischen
Vokabeln gespielt oder einfach nur noch ein bisschen Englisch mit
ihnen gesprochen. Ich hatte das Gefühl, dass es keinen Sinn hat mit
Grammatik, Satzbau oder Vokabeltest immer wieder von vorne
anzufangen. Was sich jedoch als durchgängig erfolgreich
herausgestellt hat, war mein Englischunterricht den ich vormittags
mit zwei Einzelschülerinnen abgehalten habe. Jede Schülerin habe
ich jeweils eine Stunde von Montag bis Freitag unterrichtet. Eine
meiner Schülerinnen habe ich ein halbes Jahr unterrichtet und sie
hat ihren Kurs abgeschlossen, als auch meine Zeit im TSE vorbei war.
Die andere Schülerin wird mein Nachfolger Cornelius weiterhin
unterrichten. Gerade bei einer meiner Schülerin hatte ich wirklich
das Gefühl, dass ich ihr viel beigebracht habe was ein schönes
Gefühlt ist. Wir haben mit einfachen Dingen wie Begrüßungen, den
Farben, den Wochentagen und Monaten auf Englisch begonnen. Zum
Schluss konnte sie Simple Past, Simple Present und Futur bilden, sie
konnte ganze Texte schreiben und ich habe mich mit ihr während
meines Unterrichts nur auf Englisch unterhalten.
Ein
weiterer Teil meiner Arbeit im TSE war die Arbeit zusammen mit der
Sekretärin Haika im Büro. Dadurch, dass mir im Office recht schnell
sehr viel Verantwortung übertragen wurde, bekam ich schnell
Sicherheit in dem was ich tat. Trotzdem habe ich mich noch häufig
gefragt, warum gerade mir als Praktikantin soviel Verantwortung in so
kurzer Zeit übertragen wurde. Ich musste viele finanzielle Dinge für
das TSE regeln, war für Spendengelder zuständig, habe Buchhaltung
im TSE geführt und musste Belege für Ausgaben schreiben und
einsammeln. Schließlich sollte ich auch noch dafür zuständig sein,
den Lehrern im TSE ihre monatlichen Gehälter auszuzahlen,
wogegen ich mich dann aber letzten endlich gewehrt habe, was in einem
Streit mit meinem Chef
endetet. Ich habe erstens nicht verstanden, warum gerade mir
als neue Praktikantin soviel Verantwortung übertragen wurde und
gleichzeitig wollte ich nicht als einzige Weiße immer wieder mit
Geld in Verbindung gebracht werden. Würde ich den Lehrern im TSE
jeden Monat ihr Gehalt ausstellen, würde es nach meiner Ansicht so
aussehen, als ob ich sie persönlich bezahlen würde. Dieses Bild
wollte ich nicht schaffen und habe mich schließlich auch gegen den
Willen meines Chefs Alfred durchgesetzt. Obwohl ich mit Alfred
anfängliche Schwierigkeiten hatte, wurde die Zusammenarbeit mit ihm
nach und nach immer besser, was mir meine Arbeit im TSE letztendlich
wirklich erleichtert hat. Eine weitere Aufgabe im Office war es die
monatlichen Reporte der Lehrer über ihre Arbeit im TSE von Englisch
auf Kiswahili zu übersetzen. Im ersten halben Jahr meiner Zeit haben
die Jugendlichen außerdem eine Brieffreundschaft mit dem Jugendclub
Burgwedel in Hamburg geführt. Ich habe die Briefe der Schüler von
Kiswahili auf Deutsch übersetzt, habe Bilder gemacht und dies dann
verschickt.
Ein
großer Bestandteil meiner Arbeit im TSE war außerdem der
Theaterunterricht. Ich habe meine Arbeit mit dem Wunsch angefangen,
selber Theaterunterricht zu geben. Dies hat sich jedoch als gar nicht
so einfach herausgestellt. Mir wurde bewusst, wie sehr man beim
Theater doch auf die Sprache angewiesen ist, die ich ja am Anfang
noch kaum gesprochen habe. Deshalb habe ich zu Beginn vor allem, beim
Theaterunterricht der tansanischen Lehrerin Aisha zugeschaut oder
habe selber mitgemacht. Bis ich wirklich selber unterrichten konnte,
hat es einige Zeit gedauert. Wirklich angefangen eigene Ideen
umzusetzen, habe ich erst im Zug des Theaterprojektes mit dem
Hamburger Regisseur Michael Leye. Es sollte ein Theaterprojekt auf
die Beine gestellt werden, was Aufführungen in Deutschland sowie in
Tansania zum Ziel hat. Michael Leye ist im März das erste Mal nach
Tansania gekommen und es fand ein dreiwöchiges Training statt, bei
dem entschieden wurde, dass vier Schüler und drei Lehrer des TSE die
Chance bekommen, im Oktober für drei Wochen nach Deutschland zu
reisen um das Ergebnis des Projektes mit Hamburger Jugendlichen
gemeinsam zu präsentieren. Während des Trainings in Tansania wurde
zuerst über das Thema des Projektes - wo, wann und warum man sich zu
Hause fühlt - diskutiert. Anschließend wurde dann auf Grundlage
eines Theaterstückes, was ich im Voraus zusammen mit der
Theaterlehrerin Aisha zusammen erstellt habe, erste Szenen erprobt
und gefilmt. Nachdem Michael Leye wieder nach Deutschland gereist
ist, haben wir von April bis September ein zwei Mal in der Woche
stattfindendes Training etabliert um Szenen zum Thema zu Hause
einzustudieren und neue Ideen umzusetzen. Im September ist Michael
Leye wieder nach Dar es Salaam gekommen und wir fingen an täglich
für unsere Theaterstück zu proben. Diese Proben gingen einen Monat
lang. Meine Aufgabe war es während der gesamten Proben zu
übersetzen, sowie als Projektassistentin Michael Leye zu
unterstützen. Diese Zeit war sehr interessant und spannend für
mich. Erstens konnte ich mich mit Theater beschäftigen, was genau
das war, was ich in meiner Zeit als Freiwillige im TSE erreichen
wollte. Außerdem gab es mir die Chance noch mehr und noch besser
Kiswahili zu sprechen, da ich während meiner Zeit als Übersetzerin
wirklich viel Neues dazu gelernt habe.
Im Zuge
des Theaterprojektes habe ich Mitte Februar mein erstes Theaterstück
zusammen mit Aisha zum Thema zu Hause erstellt. Während der
Probenzeit, kurz bevor Michael Leye im März gekommen ist, sind wir
mit den Schülern des TSE für einen Tag zum Strand gefahren und
haben dort für unser Stück trainiert. Dieser Tag bleibt mir auf
jeden Fall als einer der schönsten im TSE in Erinnerung. Nachdem
Michael Leye Ende April wieder gefahren ist, haben Aisha und ich
neben den zwei Mal in der Woche stattfindenden Proben, normal Theater
im TSE weiter unterrichtet. Während des Unterrichts habe ich dann
noch ein eigenes Theaterstück auf Grundlage des Buches „Der
Chronist der Winde“ von Henning Mankell erstellt. Auch wenn meine
ersten Ideen sehr von der eigentlichen Umsetzung des Stückes
abweichen, war es schön mit den Jugendlichen ein Stück
einzustudieren, zu sehen, wie sie ihre eigenen Ideen mit einbringen
und Spaß und Freude am Theaterspielen haben. Im Zuge der Proben,
habe ich eine Woche lang jeden Tag alleine im TSE unterrichtet, wobei
ich auch das Gefühl hatte, die Schüler nochmals besser
kennenzulernen, was ich sehr schön fand.
Ein
weiteres Ziel der Lehrer und mir war es, eine einmal im Monat
stattfindenden „TSE Community Show“ zu veranstalten. Die Schüler
sollten ihr Können in Tanz und Theater auf die Bühne bringen und es
Gästen aus Nachbarschaft, Familie und Freundeskreis präsentieren.
Obwohl die Show aus Geldgründen, nicht jeden Monat stattfinden
konnte, waren die Male,
bei denen es geklappt
hat, sehr schön und die Jugendlichen hatten Spaß daran ihr Können
anderen zu präsentieren. Wenn genug Geld vorhanden war, haben wir
morgens zusammen gekocht und alle Gäste haben Essen und Soda
bekommen.
Eines
der letzten Ereignisse die in die Zeit meines Freiwilligenjahres
gefallen ist, ist der Umzug des TSE in ein neues und viel größeres
Gebäude. Dieser Schritt ist schon seit Jahren notwendig, ließ sich
jedoch aus Geldmangel nicht realisieren. Das alte Gebäude des TSE
bestand aus einem sehr kleinen Computerraum und einem winzigen
Office. Im Computerraum wurde gleichzeitig das Equipment für
Theater- und Tanzunterricht aufbewahrt, sodass kaum Platz herrschte.
Der Unterricht fand auf dem Hinterhof statt, der sich jedoch rapide
verkleinert hat, seit der Vermieter des TSE auf die Hälfte des Hofes
eine Bar hat bauen lassen. Somit blieb auch für das nachmittägliche
Training nicht viel Platz. Nachdem wir aus Geldgründen Anfang des
Jahres nicht umziehen konnten, haben wir eine
Mietvertragsverlängerung bis Ende Juli durchsetzen können.
Schließlich konnten wir Anfang August in das viel größere Gebäude
umziehen, in dem die Schüler nun wirklich viel Platz zum trainieren
haben. Die Mietvertrag gilt jedoch vorerst nur für ein Jahr. Wie es
danach weitergeht, weiß bis heute noch keiner so genau.
Wie
alles hatte auch die Arbeit im TSE ihre guten und schlechten Seiten.
Innerhalb meines Jahres hat es mich immer wieder gestört, dass ich
häufig mit meinen Vorgängerinnen verglichen wurde. Ich wollte
jedoch meine ganz eigenen Ideen
umsetzen, Erfahrungen sammeln
und nicht früheren Freiwilligen nacheifern. Auch mit meinem Chef
Alfred hatte ich anfängliche Schwierigkeiten. Häufig hatte ich das
Gefühl, dass meine Arbeit von ihm nicht anerkannt wird, dass er
Positives nicht beachtet, es aber besonders betont, wenn ich etwas
schlecht oder falsch gemacht habe. Dies hat sich jedoch im Laufe
meiner Zeit geändert und zum Schluss hatte ich immer mehr das
Gefühl, dass er meine Arbeit akzeptiert und sie gutheißt, obwohl er
mir das nie persönlich gesagt hat.
Was mir
über das ganze Jahr geholfen hat, war der positive Rückhalt der
anderen Lehrer im TSE. Sie haben mich immer in meiner Arbeit und
meinen Ideen unterstützt und haben mir Tipps und Ratschläge
gegeben. Außerdem waren sie es, die mir am meisten Kiswahili
beigebracht haben. Ich habe die freundliche und offene
Arbeitsatmosphäre im TSE immer sehr genossen und hatte das Gefühl
die Freiheit zu haben, alles auszuprobieren was ich möchte. Und
somit ist das TSE innerhalb eines Jahres auch für mich nicht nur
eine Arbeitsstelle gewesen, sondern auch ein Ort geworden, an dem ich
mich zu Hause gefühlt habe.
Das
Leben in Dar es Salaam
Wie ist
das Leben in einer afrikanischen Millionenstadt wie Dar es Salaam?
Diese Frage ist schwer zu beantworten für Menschen die noch nie hier
waren.
Dar es
Salaam ist eine Stadt der krassen Gegensätze. Es gibt Tage da möchte
ich einfach nur weg hier. Es ist dreckig, der Smog von kaputten
Auspuffen schlägt mir entgegen, die Sonne brennt vom Himmel und
lässt einem keine Chance nicht
aus allen Poren des Körpers zu schwitzen. Es gibt Tage, da
stehe ich bei 40 Grad Hitze drei Stunden lang im Stau, für eine
Strecke die eine halbe Stunde dauert. Ich sehe Straßenkinder, die
barfuß durch die Reihen von wartenden Autos gehen um sich mit dem
Putzen von Windschutzscheiben über Wasser zu halten. Meistens werden
sie weg gescheucht. Ich sehe Menschen die schwere Lasten auf ihren
Köpfen oder ihren Schultern tragen, die müde sind von ihrer Arbeit
und sie trotzdem verrichten, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt.
Ich sehe Menschen die verkrüppelte Arme oder Beine haben, Menschen
mit Narben am ganzen Körper, junge Kinder, deren Zähne schon alle
braun sind.
Und dann
gibt es diese anderen Tage. An diesen Tage, kann ich mir keinen
schöneren Platz auf der Welt vorstellen als Dar es Salaam. Mir weht
ein leichter Wind um die Nase, ich gehe durch mein Viertel, grüße
die Menschen um mich herum und jeder grüßt freundlich zurück.Ich
gehe durch die Gassen und habe das Gefühl, dass alle Menschen dieser
Stadt in dem Bewusstsein leben, eine große Gemeinschaft zu sein. Das
zeigen mir die vielen kurzen und spontanen Gespräche mit fremden
Menschen, die Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft und Offenheit der
Leute. Ich bemerke, dass hinter dem vorerst nicht zu bewältigendem
Chaos von Straßen, Autos, Märkten und Menschenmassen, immer ein
System und ein Plan steht, der unglaublicher weise auch funktioniert.
Ich sehe Kinder, die miteinander spielen und glücklich sind, ich
sehe Familien zusammen auf ihren Höfen sitzen und sich Geschichten
erzählen, ich sehe offene, lächelnde und interessierte Gesichter.
Was
bedeutet Dar es Salaam für mich? Wahrscheinlich setzt sich diese
Bedeutung aus den unzähligen vielen kleinen und alltäglichen
Situationen zusammen, die ich hier ein Jahr lang erlebt habe:
Wir
besuchen zusammen mit unserem Vorgänger einen Freund von ihm. Wir
fahren fast zum anderen Ende der Stadt und werden als wir ankommen
auf eine Terrasse mit Blick auf die Straße geführt. Dort wird uns
ein großes Essen bestehend aus Reis, Bohnen, Spinat, Obst und Soda
geboten. Der Freund erzählt viel und ich verstehe fast kein Wort,
weil ich erst eine Woche in Tansania bin. Ich bin überwältigt von
der Gastfreundschaft und der Selbstverständlichkeit, dass man jeden
Gast gleichzeitig wie einen Freund behandelt.
Ich
stehe an einer Haltestelle und warte auf den Bus nach Hause. Es ist
18:00 Uhr abends und es fängt an zu dämmern. Die Menschen kommen
von der Arbeit und wollen nach Hause. Ich warte nicht alleine auf den
Bus. Es warten Viele. Wir sehen den Bus von Weitem. Wir wollen alle
in die gleiche Richtung. Wir fangen an, in die Fahrtrichtung des
Busses zu rennen und passen unsere Geschwindigkeit so an, dass wir
irgendwann auf der Höhe der Bustür sind. Es gibt 20 freie
Sitzplätze und 40 Passagiere. Die Ersten fangen an durch das Fenster
in den Bus zu springen. Der Gedränge an der Tür beginnt. Wer am
stärksten ist, bekommt einen Platz. Der Kondakter
steht neben dem Gedränge schaut sich das Treiben an und
schreit die jeweiligen Haltestellen um noch mehr Fahrgäste
anzulocken.
Ich
besuche die Tanzgruppe einer Freundin von mir und nehme bei 40 Grad
Außentemperatur am Training teil. Wir tanzen drei Stunden lang und
sind danach so durchgeschwitzt, dass man unsere T- Shirts auswringen
kann.
Es wird
mir häufig ins Gesicht gesagt, dass mein Bauch schön dick ist und
ich weiterhin zunehmen soll. Es bedeutet automatisch, dass es
dir gut geht, es dir im
Leben gerade an nichts fehlt und du bei guter Gesundheit bist. Ein
verstecktes Kompliment was man selbst, geprägt durch das europäische
Schönheitsideal, erstmal als solches erkennen muss.
Wir
fahren in einem Bajaj. Eine Art Dreirad mit Motorenantrieb, mit dem
höchstens drei Leute befördert werden können. Wir sitzen zu Neunt
im Bajaj als uns ein Polizeiauto entgegenkommt. Wir werden
angehalten. Unser Fahrer bezahlt umgerechnet einen Euro Schmiergeld
und wir fahren weiter.
Ich sehe
in diesem Jahr unglaublich viele lachende Gesichter. Menschen, die
mir mit offenem Blick begegnen, die mich grüßen und sich freuen,
dass ich mich mit ihnen unterhalte. Verkäufer, die mir Orangen
schenken, weil sie sich freuen, dass ich Kiswahili spreche. Alte
Männer und Frauen, die sich freuen, wenn ich sie mit der höflichen
Grußformel „Shikamoo“ begrüße, anstatt ohne einen Gruß an
ihnen vorbei zu gehen. Kinder rennen hinter mir her und schreien mir
so lange „How are you“ hinterher bis ich sie grüße und mich
einige Minuten mit ihnen beschäftige.
Die
Zeit nach dem Freiwilligendienst
Wie alle
Freiwilligen stelle auch ich mir die Frage, was ich in Deutschland
nach meiner Zeit in Tansania machen möchte. Ich habe den Wunsch mich
nächstes Jahr für ein Studium in die Richtung „Internationale
Beziehungen“ oder „Afrikawissenschaften“ zu bewerben. Ein
weiteres Ziel ist es einige Zeit im englischsprachigen Ausland zu
verbringen um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Außerdem wird es
wohl auch nicht allzu lange dauern, bis ich wieder zurück nach
Tansania reisen werde.