Weltwärtsbericht
Nr. 2
06.11.2012
– 06.02.2013
Ich
schreibe meinen zweiten Weltwärtsbericht. Was bedeutet das? Ich lebe
nun schon ein halbes Jahr in Tansania, Dar es Salaam. Eine
Erkenntnis, die mir erst wieder ins Gedächtnis gerufen wird, als ich
anfange, diesen Bericht zu schreiben. Was schließe ich daraus? Die
Zeit rennt nur so dahin und das vorerst so unendlich lang
erscheinende Freiwilligenjahr geht schneller vorbei als man es für
möglich hält.
Wenn
ich mir nun meinen ersten Weltwärtsbericht durchlese, merke ich
erst, wie viel sich in den letzten drei Monaten hier, bezüglich
meiner Arbeit aber auch meiner Freizeit, verändert hat.
In
meiner Arbeitsstelle dem „Talent Search and Empowerment“ gibt es
viel zu tun. Wir planen im Moment mit dem Hamburger Theaterregisseur
Michael Leye ein gemeinsames Austausch- und Theaterprogramm. Michael
Leye wird im März für drei Wochen Dar es Salaam besuchen um sein
Theaterkonzept „Zu Hause“ im TSE, sowie in der Kunst- und
Kulturszene Dar es Salaams, vorzustellen. In dem Konzept soll es
hauptsächlich um die Frage gehen wo,wann und warum sich Jugendliche
zu Hause fühlen. Nachdem die Theaterlehrerin Aisha und ich das Thema
den Kindern des TSE vorgestellt haben, sollen wir nun bis März
anfangen, diese Fragen mit den Jugendlichen zusammen zu beantworten.
Nachdem Michael Leye im März für drei Wochen hier war und erste
Ideen gesammelt wurden, wird er im August wiederkommen und das
Projekt hier vor Ort fertig stellen, sodass die Kinder dieses dann in
ansässigen Institutionen wie zum Beispiel dem „Goethe Institut“
in Dar es Salaam vorführen können. Im Oktober hätten dann fünf
bis sieben Kinder des TSE die Chance nach Hamburg zu reisen,
um das Theaterstück zusammen mit Hamburger Jugendlichen, die sich
mit dem gleichen Thema beschäftigt haben,nochmals
aufzuführen. Die Finanzierung des Projektes ist größtenteils
schon bewerkstelligt und ich hoffe nun wirklich,dass alles wie nach
Plan verläuft.Somit könnte ich meinen Wunsch, die Theaterarbeit des
TSE weiter voran zu treiben mit dieser Idee verbinden.
Außerdem
besteht ein weiterer Kontakt mit dem Hamburger „Jugendclub
Burgwedel“. Ich kümmere mich seit mehreren Monaten um den
Briefkontakt zwischen den Jugendlichen hier in Dar es Salaam und den
Mitgliedern des Jugendclubs in Hamburg. Um Weihnachten herum haben
wir Post aus Hamburg bekommen, die ich dann für die Kinder des TSE
übersetzt habe. Bald werden wir antworten. Das geplante
Theaterprojekt mit dem „Jugendclub Burgwedel“ ist jedoch, auch in
Erwartung auf das Projekt Michael Leyes, erst einmal in weitere Ferne
gerückt und der Kontakt besteht alleine aus einer losen
Brieffreundschaft zwischen den Kindern und Jugendlichen.
Außerdem
bin ich mit der Entwicklung meine Englischunterrichts sehr zufrieden.
Ich unterrichte nun auch in Einzelstunden und habe eine Schülerin,
die fünf Vormittage die Woche, eine Stunde mit mir zusammen Englisch
lernt. Außerdem unterrichte ich weiterhin die Schüler des TSE
nachmittags in größeren Gruppen. Wir
haben nun das „simple present“ abgeschlossen und es sind einige
Erfolge zu verzeichnen. Viele Schüler haben wirklich etwas
aus meinem Unterricht mitgenommen, was mich motiviert, weiter zu
machen, auch wenn es immer mal wieder Nachmittage gibt an denen nur
sehr wenige Schüler da sind. Ich möchte jedoch nicht nur Grammatik
und Satzbau beibringen, was natürlich trotzdem ein wichtiger
Bestandteil ist um eine Sprache zu lernen, sondern habe mir
vorgenommen meinen Unterricht noch mehr aufzulockern. So habe ich
angefangen mit den Schülern Kurzgeschichten zu lesen und plane nun
ein kleines Theaterstück auf Englisch.
Ein
weiterer Teil meiner Arbeit im TSE besteht immer noch aus
organisatorischen Aufgaben. Ich erledige Büroarbeiten, übersetze
die monatlichen Berichte der Lehrer von Kiswahili auf Englisch und
schicke sie nach Deutschland weiter. Ich führe Buch über Einnahmen
und Ausgaben des TSE, halte das Office sauber und kümmere mich um
die Verwaltung der Spendengelder des „Dogo Dogo Centers“. Das
Center hat dem TSE Ende Oktober 800.000 Tsh zur Verfügung gestellt.
Ich bin dafür zuständig das Geld aufzuteilen, die Belege für
ausgegebenes Geld einzusammeln und diese schließlich zum Büro des
„Dogo Dogo Centers“ zurückzubringen. Außerdem kümmere ich mich
seit Kurzem um das Fundraising im TSE. Im Moment ist ein
Spendenschreiben an die deutsche Botschaft in Dar es Salaam geplant.
Die Botschaft bietet schon seit mehreren Jahren die Förderung von
Kleinstprojekten an. Auf diese Förderung werde ich mich nun im Namen
des TSE bewerben. Außerdem sind einige Spenderbriefe, bezüglich
kleiner Geldspenden, nach Deutschland geplant und teilweise auch
schon fertiggestellt und verschickt.
An
jedem Monatsende hat das TSE eine „TSE Community Show“
aufgeführt. Eine Show bei der alle Kinder und Jugendlichen ihr
Können, von Theater, über Musik bis hin zu Tanz, auf die Bühne
gebracht haben. Die anfallenden Kosten, vor allem Essen und Getränke
für Kinder und Zuschauer, wurden von den Spendengeldern des „Dogo
Dogo Office“ gestützt. Da diese Gelder nun langsam zur Neige
gehen, kann auch die „Community Show“ auf unbegrenzte Zeit nicht
mehr stattfinden. Um die diese Show weiterhin finanzieren zu können,
habe ich angefangen erste Spendenbriefe zu schreiben.
Das
TSE hat wie eh und je Geldprobleme. Mein Sicht auf diese, anfänglich
so aussichtslos erscheinende, Lage hat sich mit der Zeit jedoch
geändert. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen das TSE kein Geld
hat, um kleinere oder größere Projekte selber zu finanzieren. Es
gibt, wie ich in den letzten drei Monaten jedoch festgestellt habe,
aber auch immer wieder Zeiten, in denen es anders ist und dem TSE
Geld zur Verfügung steht. Nur die regelmäßige Sicherheit,dass
immer und überall Geld vorhanden ist, ist nicht gegeben. Man plant,
wie so vieles hier in Tansania, eher von einem Tag zum nächsten als
lange in die Zukunft. An diese Situation, die für mich am Anfang
große Unsicherheit bedeutete, habe ich mich inzwischen gewöhnt und
ich bin gelassener geworden. Wenn man ein Projekt heute nicht
umsetzen kann, dann macht man es eben morgen, wenn wieder Geld da
ist. So haben die Kinder des TSE zum Beispiel vor Kurzem, mit Hilfe
von gespendetem Geld des TSE Vorstands Erick, fünf Lieder in einem
Studio aufnehmen können, die sie selbst geschrieben und komponiert
haben. Es liegt nun ein fertiges Album vor, auf das alle Schüler
sehr stolz sind.
Ein
weiterer Punkt, den alle Mitglieder des TSE im Moment beschäftigt,
ist der geplante Umzug, der jedoch nicht ohne Komplikationen
verbunden ist. Das TSE war bis vor Kurzem gezwungen bis Ende Februar
das jetzige Gelände zu verlassen und sich einen neuen Stellplatz zu
suchen. Da das TSE diesen Umzug aus eigenen Mittel nicht stemmen
kann, hat meine Entsendeorganisation „Kawaida e.V.“ einen Antrag
auf Spendengelder geschrieben. Ob wir eine Zusage für diese
Spendengelder bekommen erfahren wir jedoch erst Mitte bis Ende
Februar. Die Zeitspanne für einen möglichen Umzug ist somit sehr
knapp bemessen. Würden dem TSE die Spendengelder nicht bewilligt
werden, stände meine Empfängerorganisation praktisch vor dem Aus.
Nachdem diese eigentlich sehr kritische Situation erkannt wurde,
haben wir nun mit den Vermietern nach langem Hin und Her eine
Mietvertragsverlängerung von weiteren sechs Monaten vereinbaren
können. Dies ist zwar nur eine Notlösung, da der jetzige Stellplatz
des TSE schon seit Jahren zu klein ist, aber gewährt dem TSE
wenigstens noch einen kleinen Aufschub. Wenn wir die Spendengelder
nicht bewilligt bekommen, haben wir somit noch sechs Monate Zeit um
uns um Alternativen zu bemühen. Ich habe mir vor einigen Tagen mit
meinen Vorgesetzten neue alternative Plätze für das TSE angeschaut,
die sich im selben Viertel wie das jetzige TSE-Haus befinden und von
denen einer auch sehr geeignet scheint. Somit heißt es wieder einmal
abwarten, hoffen dass Spendengelder bewilligt werden und der Umzug
sogar noch in meine Zeit des Freiwilligenjahres fällt. Die Angst
meine Arbeitsstelle während meines Jahres hier zu verlieren, hat
sich nun natürlich nicht bestätigt, ist jedoch nur ein kleiner
Trost.
Einer
der wenigen Punkte, die mich bezüglich meiner Arbeit belastet, ist
die Zusammenarbeit mit meinem Chef, die anfangs eigentlich recht gut
verlief, sich jedoch aus meiner Sicht in eine negative Richtung
entwickelt. Ich bekomme immer wieder mit, dass er mit meiner Arbeit
eigentlich nicht zufrieden ist, wobei ich dies nie von ihm
persönlich, sondern nur über andere Personen erfahre. Dieses
Tatsache stört mich und ich hoffe,dass ich sie durch ein klärendes
Gespräch beheben kann.
Insgesamt
kann ich jedoch sagen,dass ich wirklich gerne zur Arbeit gehe. Es
freut mich jeden Morgen ins TSE zu kommen und viele nun schon
bekannte Gesichter wiederzusehen. Ich verstehe mich mit all meinen
Kollegen gut und die anfangs vielen, mit großer Verantwortung
beladenen Aufgaben, gehen mir leichter von der Hand. Ich bin an
diesen Aufgaben gewachsen,habe
aber auch gelernt,meine Fähigkeiten und Möglichkeiten
bezüglich der Arbeit besser einzuschätzen. Wenn mir Aufgaben
zugeteilt werden, die ich alleine nicht bewerkstelligen kann oder
denen ich mich nicht verantwortlich oder gewachsen fühle, habe ich
bemerkt,dass das Abgeben oder Weiterreichen von Aufgaben durchaus zu
einem akzeptablen Arbeitsstil gehört. Ich fühle mich im TSE und
dessen Umgebung wirklich wohl und es vermittelt mir eine angenehme
Arbeitsatmosphäre. Das TSE ist für mich aber seit geraumer Zeit
auch ein Ort geworden, an dem ich mich mit Menschen treffen kann, mit
denen ich gerne Zeit verbringe und die ich lieb gewonnen habe. So
sehe ich nicht nur meine Kollegen und die Kinder dort, sondern es
kommen mich auch häufiger andere Leute besuchen, nur um ein bisschen
zu erzählen oder um mich zu sehen. Diese Verbindung zwischen Arbeit
und Freizeit begegnet mir hier in Tansania viel häufiger als in
Deutschland, worum ich jedoch sehr froh bin. Denn auch wenn mein
Arbeitstag offiziell um 18 Uhr abends endet, bin ich häufig erst
zwischen 19 oder 20 Uhr zu Hause und habe dann einfach keine Zeit
oder Kraft mehr mich mit Bekannten oder Freunden zu treffen.
Ich
bin nun ein halbes Jahr hier, die zweite Hälfte meines
Freiwilligenjahres beginnt. Somit kommt natürlich, so sehr ich mich
gedanklich im Moment auch in Tansania befinde, immer wieder die Frage
nach der Zukunft auf. Wie wird es sein wenn ich wieder nach
Deutschland komme? Möchte ich studieren oder noch ein Jahr lang
etwas anderes machen? Die Frage, wie es wird, wenn ich wieder in
Deutschland bin, taucht häufiger auf, als in den ersten drei
Monaten.Im Moment spiele ich mit dem Gedanken mich schon für dieses
Jahr für ein Studienplatz im Fach Psychologie zu bewerben, um ein
Ziel und eine Aufgabe zu haben, wenn ich wieder in Deutschland
ankomme.