Weltwärtsbericht
von Paula Högermeyer
06.08.2012
bis zum 06.11.2012
Ich
wohne nun seit drei Monaten in Dar es Salaam und arbeite in dem
Jugendzentrum „Talent Search and Empowerment“. Innerhalb dieser
drei Monate hat sich viel getan, verändert und entwickelt. Nachdem
ich mit meinen Mitfreiwilligen Carlotta, Neele und Philipp am
Flughafen von Dar es Salaam ankam, war die anfängliche Unsicherheit
die zu Hause noch oft präsent war, erst einmal wie weggeblasen und
die Fahrt vom Flughafen zu unserer neuen Wohnung hat mich sehr
fasziniert. Mir erschloss
sich eine komplett neue Welt und in den ersten Tagen war ich
begeistert davon.
In
den nächsten Wochen wurde mir jedoch die Tragweite meiner
Entscheidung bewusst. Ich
würde ein Jahr lang nicht in meinem gewohnten Umfeld leben und muss
von der Sprache bis zu den Umgangsformen alles neu lernen. Diese
Gedanken und die Unsicherheit, ob ich wirklich die richtige
Entscheidung getroffen
hatte, führte dazu, dass eine Phase anbrach, in der ich mir meiner
Entscheidung ein Jahr in
Tansania zu leben sehr unsicher wurde.
Auch
mit meiner Arbeit ging es erstmal schleppend voran. Das „Talent
Search and Empowerment“ hat massive Geldprobleme und ist trotzdem
gezwungen nächstes Jahr umzuziehen, da der Mietvertrag ausläuft.
Wie der Umzug bewältigt werden soll steht bis heute nicht fest. Mir
stellte sich die Frage, ob es überhaupt möglich sein würde, unter
solchen Umständen zu arbeiten.Trotzdem wurde ich von allen Schülern
sowie Mitarbeitern des TSE herzlich empfangen und aufgenommen. Ich
stellte jedoch schnell fest, dass das TSE nicht nur Arbeitsplatz ist,
sondern auch ein Platz, an dem sich ein Freundeskreis trifft, der
sich schon seit vielen Jahren kennt. Natürlich braucht es Zeit,
seinen Platz in diesem Freundeskreis zu finden.
In
kurzer Zeit wurde mir sehr viel Verantwortung zugesprochen, die mich
zwar nicht überforderte, ich mir aber die Frage stellte,
warum gerade ich, als die neue Praktikantin, Aufgaben solcher
Tragweite übernehmen muss. Somit wurde ich gerade mit der Arbeit im
Office schnell vertraut. Ich hatte das Gefühl, Probleme des TSE zu
erkennen, aber nicht in der Position zu sein, sie alleine lösen zu
können. Als der deutsche Mitbegründer des TSE und Mitglied von
meiner Endsendeorganisation,Paul, nach Tansania kam, hat sich die
Situation für mich positiv verändert und wir haben versucht
gemeinsam Lösungsansätze zu finden.Nach einer weiteren Besprechung
mit den Gründern des TSE stellt sich jedoch heraus, dass sie von mir
erwarteten, meine teils passive Beobachterrolle im TSE vollends
aufzugeben, um voll in die Arbeit einzusteigen. In diesem Moment
fühlte ich mich doch
etwas überfordert.
Als
meine Vorgängerin Franziska noch hier war und ich drei Wochen mit
ihr zusammen verbracht habe, habe ich mitbekommen, dass sie gerade am
Anfang große Probleme mit unserem Chef Alfred hatte.Von daher bin
ich vorbelastet mit ihm in die Arbeit gegangen. Bis jetzt komme ich
jedoch gut mit ihm zurecht, worüber ich sehr froh bin, da es mir die
Arbeit im TSE erleichtert. Auch mit den anderen Mitbegründern
Paul und Erik komme ich gut aus. Mit den Lehrern des TSE ist
es ein eher freundschaftliches Verhältnis, da sie nur wenige Jahre
älter sind als ich. Alle sind sehr bemüht mir die Sprache
beizubringen und haben mich herzlich aufgenommen.
Die
Sprache zu verstehen und zu sprechen, ist mir am Anfang natürlich
sehr schwer gefallen. Meine Mitbewohnerin Carlotta konnte von Anfang
an mehr Kiswahili als ich und somit habe ich das Sprechen häufig ihr
überlassen. Langsam habe ich mich dann an die Sprache herangetastet,
verstand aber immer noch nicht viel, was gerade meine Arbeit im TSE
extrem erschwert hat. Als ich im Oktober jedoch zwei Wochen im Urlaub
war, habe ich sehr viel gelernt. Carlotta, Neele und ich haben uns
gegenseitig geholfen und das hat sich sehr positiv auf mein Kiswahili
ausgewirkt. Seitdem verstehe ich viel mehr und ich lerne jeden Tag
viele neue Wörter und Grammatik dazu. Vorher hatte ich das Gefühl,
mit meiner Sprachentwicklung auf der Stelle zu stehen. Was sich
außerdem verändert hat, ist die Tatsache, dass ich Gespräche nicht
mehr vermeide, sondern sie aufsuche um noch mehr zu lernen. Zwar
lerne ich langsam,aber die Tatsache, dass ich mich jeden Tag in
kleinen Schritten verbessere, gibt mir ein positives Gefühl. Ich bin
nun an dem Punkt angelangt,an dem ich mich mit allen Leuten um mich
herum gut verständigen kann und nur noch einzelne Wörter nachfragen
muss. Der Kontext der Gespräche ist mir jedoch immer klar.
Zum
Schluss möchte ich von meiner jetzigen Situation berichten, die sich
sehr von der der ersten zwei Monate unterscheidet. Es geht mir gut
hier. Ich habe das Gefühl, nach den anfänglichen Schwierigkeiten,
nach drei Monaten nun endlich angekommen zu sein. Ich unterhalte mich
viel auf Kiswahili, bin am Wochenende viel unterwegs, kenne mich in
der Stadt besser aus und verstehe mich mit all meinen Mitfreiwilligen
gut. Nachdem ich aus meinem Urlaub zurückgekommen bin, läuft es mit
dem Kiswahili besser, was sich auch positiv auf meine Arbeit
auswirkt. Ich fühle mich in einer Welt wohl, die mir vor drei
Monaten noch völlig fremd war. Der Gedanke nun wieder nach
Deutschland zurückfliegen zu müssen, fühlt sich falsch an und ich
bin froh, hier noch viel Zeit verbringen zu können. Im Moment stellt
sich hier für mich so etwas wie ein Alltag ein. Das lässt sich wohl
auch am anderen Ende der Welt nicht vermeiden. Trotzdem ist es auch
nochmal eine Bestätigung für mich angekommen zu sein.
Außerdem
bin ich mit der Entwicklung meines Sprachunterrichts im TSE sehr
zufrieden. Ich unterrichte zweimal die Woche Englisch und einmal die
Woche Deutsch. Ich habe meinen Unterricht nun besser strukturiert,
führe ein Klassenbuch in dem ich eintrage wer zum Unterricht
erscheint und was wir an dem Tag geschafft haben. Mein bis jetzt
größter Erfolg war es, den Kindern Hefte zu kaufen in die sie
schreiben können und die ich am Ende des Unterrichts wieder
einsammle. Da vorher alle nur auf lose Zettel geschrieben haben, war
mein Unterricht nicht sehr nachhaltig und es sind häufig nur wenige
Schüler gekommen. Seit es die Hefte gibt, wissen alle was sie
geschafft haben und es kommen viel mehr Schüler zum Unterricht.
Außerdem habe ich beschlossen eine Art Belohnungssystem einzuführen,
sodass der Schüler, der am Ende des Monats den Unterricht am
häufigsten besucht hat, eine kleine Überraschung bekommt. Neben dem
Sprachunterricht, bin ich im Moment mit vielen Aufgaben im Office des
TSE beschäftigt. Ich bin dafür zuständig, dass ich am Ende des
Monats die Berichte der Lehrer des TSE vom Kiswahili ins Englische
übersetze. Außerdem setze ich mich mit den Sponsoren des TSE
auseinander. Da das TSE im Moment große Geldprobleme hat, sind wir
mehr denn je auf diese Spendengelder angewiesen. Das „Dogo Dogo
Center“ ist einer dieser Sponsoren. Es ist ein Internat für
ehemalige Straßenkinder. Dort haben die Jugendlichen die Möglichkeit
eine Ausbildung zu absolvieren um spätere bessere Möglichkeiten auf
dem Arbeitsmarkt zu erhalten. Das „Dogo Dogo Center“ ist jedoch
selbst auf Spenden angewiesen, von denen es aber immer einen Teil an
das TSE abgeben hat. Da nun der Sponsoren des „Dogo Dogo Centers“
weggefallen ist, bekommt auch das TSE keine Spenden mehr. Wir haben
nun noch einen Restbetrag von 800.000 Ths bekommen, was umgerechnet
etwa 400 Euro sind. Somit kann das TSE zwar akute Probleme beheben,
aber die grundsätzliche finanzielle Problemlage ist
nicht gelöst. Die Leiter des TSE haben sich hier vor Ort um
ansässige Spender bemüht. Wir haben jedoch keine Zusagen bekommen.
Meine Endsendeorganisation bemüht sich nun um Spendengelder aus
Deutschland, damit die Unkosten und vor allem der Umzug des TSE
nächstes Jahr bewerkstelligt werden kann. Auf die Zusage der
Spendengelder müssen wir jedoch noch bis Februar 2013 warten.
Seit
Neustem steht das TSE in einem gegenseitigen Kontakt mit dem
„Jugendclub Burgwedel“ in Hamburg. Ich bin dafür zuständig,
dass der Briefkontakt zwischen den Kindern der Jugendzentren aufrecht
erhalten bleibt. Somit habe ich mich vor Kurzem mit den Kindern des
TSE zusammen gesetzt, wir haben Briefe an die Kinder nach Hamburg
geschrieben und Fotos gemacht. Im Moment warten wir auf eine Antwort.
Außerdem plant das TSE einen Austausch mit dem Jugendclub Hamburg.
Diese Idee steht im Moment jedoch noch in den Kinderschuhen und man
muss abwarten, wie sich das TSE in den nächsten Monaten finanziell
entwickelt.
Wenn
ich meinen Blick in die Zukunft wende, möchte ich auf jeden Fall den
Theaterunterricht im TSE weiter vorantreiben. Es gibt Kinder die ein
großes Potential haben und allen macht der Unterricht Spaß. Für
mich ist es momentan noch relativ schwierig am Unterricht aktiv
teilzunehmen, da es schon eine Theaterlehrerin im TSE gibt und ich
außerdem das Gefühl habe, dass meine Sprachkenntnisse für den
Unterricht noch nicht ausreichen sind. Mir ist bewusst geworden, wie
sehr man bei der Theaterarbeit auf die Sprache und deren
Ausdrucksmöglichkeiten angewiesen ist. Das Ziel eigenen
Theaterunterricht auf die Beine zu stellen, war sehr hoch gesetzt,
was mir erst jetzt wirklich bewusst wird. Trotz dessen ist es mein
langfristiges Ziel ist es ein eigenes Theaterstück mit den Kindern
zu erarbeiten indem von der Idee bis zur Requisite alles selber
gemacht wird. Für die Zukunft des TSE ist es natürlich existenziell
wichtig, dass wir im März die Möglichkeit bekommen umzuziehen, da
es sonst schlecht um die Zukunft meiner Arbeitsstelle steht. Am
Anfang hat es mich sehr gestört, dass ich eine Arbeitsstelle habe,
deren Zukunft so ungewiss ist. Ich bin jedoch an dem Punkt angelangt,
wo ich für den Moment versuche, die Möglichkeiten auszuschöpfen,
die mir gegeben sind,um
den Kindern eine gute Lern- und Spielatmosphäre bieten zu können.
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