Der Monat Juli. Eine Zeit, so
vollkommen tansanisch, so vollkommen angekommen in diesem anderen
Land, so vollkommen zu Hause. Und trotzdem schielt man mit einem Auge
auch schon wieder auf Deutschland. Denn die Abreise steht eigentlich
kurz bevor. In 9 Wochen werde ich ins Flugzeug steigen und meine
Heimreise antreten. Ein Ereignis, dem ich mit sehr gemischten
Gefühlen gegenüberstehe.
In diesem Monat ist einiges passiert.
Ich bin sozusagen eine Symbiose mit meiner Arbeit eingegangen. Mich
ohne das TSE gab es in den letzten Wochen nicht mehr. Unter der Woche
habe ich weiterhin Englisch und Theater unterrichtet und am
Wochenende haben wir weitere Proben mit den Schüler und Lehrern
gehabt, die im Oktober in Deutschland an dem Theaterprojekt „Zu
Hause“ teilnehmen werden. Ich bin also sieben Tage die Woche
beschäftigt. Nichtsdestotrotz, habe ich mich noch nie so wohl im TSE
gefühlt und gehe jeden Morgen gerne zur Arbeit. Ich werde nun noch
bis Ende des Monats meine beiden Einzelschülerinnen in Englisch
unterrichten. Eine Schülerin hat dann ihren Kurs beendet und wird
auf eine weiterführende Schule gehen. Die andere Schülerin werde
ich dann hoffentlich an meinen Nachfolger übergeben können. Es ist
schön zu bemerken, dass mein Unterricht Früchte trägt. Der
Unterricht hier stellt einen manchmal wirklich vor andere
Herausforderungen als mit bsp. Nachhilfeschülern, von denen ich auch
in Deutschland schon manche unterrichtet habe. Im tansanischen
Bildungssystem wird wenig auf die individuelle Förderung von
Schülern geachtet. Der Frontalunterricht vermittelt Wissen vor allem
durch auswendig lernen und nachsprechen. Von daher stellt die Aufgabe
eine eigene Geschichte zu schreiben, seine eigenen Meinung zu äußern
oder schon die Freiheit zu entscheiden, auf welche Seite des Papiers
man das Datum schreibt, für die Schülerinnen eine neue
Herausforderung dar. Von daher zählt es für mich auch schon zu
einem Erfolg, wenn meine Schülerinnen mich darauf hinweist, wenn sie
etwas nicht verstanden hat, wenn sie anfangen eigene kleine Texte auf
Englisch zuschreiben oder wenn man mich unverhofft „ Do you have a
boyfriend?“ fragt.
Bezüglich meines Theaterunterrichtes
gibt es ebenfalls einige Neuigkeiten. Mein Ziel war und ist es bis
zum Ende meiner Zeit ein eigenes Theaterstück auf die Beine zu
stellen. Ich habe das Buch „Der Chronist der Winde“ von Henig
Mankell gelesen und war begeistert von der Geschichte, sodass ich ein
Theaterstück auf Grundlage dieser mit den Jugendlichen erstellen
wollte. Das Skript ist schon lange fertig, nur zu den eigentlichen
Proben ist es einige Zeit irgendwie nicht richtig gekommen. Von daher
habe ich mit den anderen Lehrern des TSE besprochen, dass ich eine
Woche lang alleine Theater unterrichten werde um das Stück endlich
fertig zu stellen. Das hat auch gut geklappt. Letzte Woche war ich
dann auf einmal die einzige Lehrerin im TSE und habe eine Woche lang
unterrichtet. Wir haben nicht nur das Theaterstück fertig gestellt,
sondern ich habe auch das Gefühl, die Jugendlichen in dieser Woche
noch einmal besser kennen gelernt zu haben, was ich sehr schön
finde. Das Theaterstück soll dann auf meiner Abschlussparty im TSE
aufgeführt werden. Die Feier findet Ende August statt, auf der nicht
nur ich verabschiedet werden soll, sondern auch mein Nachfolger
willkommen geheißen wird. Es wird also ein großes Essen geben, die
Jugendlichen werden Tanz und Theater vorführen und wir werden alle
nochmal nett zusammensitzen. Auch das andere Theaterprojekt des
Hamburger Regisseurs Michael Leye ist im vollen Gange. Die Proben
werden, bis Michael Leye im September wieder nach Dar es Salaam
kommt, weitergehen. Im September wird das Stück dann fertig gestellt
und im Oktober fliegen wir alle zusammen nach Deutschland. Ich heiße
euch hiermit auch alle willkommen euch das Stück anzuschauen. Wir
werden Aufführungen in Hamburg und Nürnberg haben. Die genauen
Daten werde ich euch noch durchgeben.
Wie ihr seht, hat sich in den letzten
Wochen nochmal einiges entwickelt. Was jedoch wohl am wichtigsten für
die weitere Entwicklung des TSE ist, ist die Tatsache, dass wir Ende
nächster Woche umziehen werden. Ich habe euch in meinen ersten Mails
geschrieben, dass der Platz im TSE schon lange zu klein ist. Das
Office ist vollgestopft, mit Computern, Tanz- und Theaterequipment,
einem großen Wasserkanister und Stühlen. Der Hinterhof war mal groß
bis der Vermieter des TSE auf die Hälfte der Fläche eine Bar gebaut
hat. Das hat den TSE Jugendlichen nicht nur ihren Trainingsplatz
weggenommen, sondern es war auch nicht schön mit anzusehen, wie
kleine Kinder und Jugendliche neben betrunkenen Erwachsenen spielen
mussten. Eigentlich sollte das TSE schon Anfang des Jahres umziehen,
was dann jedoch wegen Geldmangel und einer fehlenden Platzalternative
nicht geklappt hat. Es gab dann ziemlich lange Diskussionen mit dem
Vermieter, bis wir es geschafft haben, doch noch bis August bleiben
zu dürfen. Wir haben nun schließlich ein neuen Platz gefunden, der
wirklich schön ist und im gleichen Viertel wie das alte Gebäude
ist. Das ist sehr wichtig, damit weiterhin die gleichen Jugendlichen
kommen können. Die Miete ist erst für ein Jahr bezahlt und wie es
danach weitergeht weiß wohl noch keiner so genau. Das eigentliche
Ziel war es ein eigenes Gebäude zu kaufen. Nun kann das TSE aber
erstmal für ein weiteres Jahr aufrecht erhalten werden. Ende
nächster Woche werden wir also umziehen. Ich werde mich in dem neuen
Gebäude wohl nicht mehr richtig zu Hause fühlen. Für mich hat sich
mein Freiwilligenjahr eben einfach in dem alten Gebäude abgespielt.
Dafür wird mein Vorgänger dann wesentlich mehr Platz zum
Unterrichten haben und es wird wohl insgesamt zu einem kleinen
Neuanfang mit neuem Gebäude und neuem Freiwilligen kommen.
Ja, die Tatsache, dass in einer Woche
unsere Nachfolger kommen, ist sehr merkwürdig. Man wird
unwillkürlich an die Situation vor einem Jahr erinnert, in der man
selbst neu nach Tansania gekommen ist. In dieser vollkommen andere
Welt. Man wird an die ersten Kiswahili Versuche erinnert, an seinen
ersten Arbeitstag, an seine erster richtigen Begegnungen mit der
neuen Kultur und an diese ganzen wertvollen, schönen, spannenden,
jedoch auch teilweise sehr anstrengenden Momente dieses Jahres. Man
wird daran erinnert, was man alles gelernt hat und wie sehr sich der
Blick auf manche Dinge verändert hat. Auf Reichtum und Armut, auf
Christentum und Islam, auf Europa und Afrika. Die Tatsache, dass ich
in wenigen Wochen in Deutschland sein werde, versetzt mich an manchen
Tagen in Schrecken und an anderen Tagen in Freude. Ich freue mich
drauf all die lieben Menschen, meine Freunde und meine Familie,
wiederzusehen. Ich freue mich auf das Essen und auf Annehmlichkeiten
wie eine Waschmaschine. Außerdem auf grundlegende Dinge, wie über
die Straße zu gehen und einfach nicht aufzufallen, was hier auf
Grund der Hautfarbe einfach ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ich
freue mich darauf wieder kürzere Kleidung tragen zu können und
darauf mal wieder „in der Menge unterzugehen“. Ich freue mich
darauf mich mit Männern unterhalten zu können ohne dabei
Heiratsanträge zu bekommen.
Und andererseits wird es unglaublich
viele Dinge geben, die ich in Deutschland vermissen werde. Das Leben
draußen, auf der Straße. Das Gefühl zu haben als Land mit allen
Menschen in einer großen Gemeinschaft zu leben. Die Gastfreundschaft
und die Lebensfreude. Die Arbeit im TSE, die Jugendlichen und meine
lieben Kollegen, die mir wirklich ans Herz gewachsen sind. Ich werde
vermissen, dass es in Tansania anders als in Deutschland zu jedem
Problem eine Lösung gibt. Ich werde die Gelassenheit vermissen und
die vielen netten, kurzen und spontanen Gespräche mit wildfremden
Menschen. Ich werde es vermissen, jeden Menschen auf der Straße nett
zu grüßen auch wenn ich ihn nicht kenne und wahrscheinlich werde
ich sogar nach einiger Zeit das Hauptgericht Reis und Bohnen
vermissen, dass ich jetzt langsam nicht mehr sehen kann. Wie ihr
merkt, werde ich mit sehr gemischten Gefühlen wieder nach
Deutschland fliegen. Ich versuche darum meine restliche Zeit hier
noch zu genießen und die Dinge zu tun, die ich hier noch unbedingt
machen will.
Ich wünsche euch allen weiterhin
schöne Sommertage in Deutschland mit Grillen, am See oder im
Schwimmbad liegen und viel Lebensfreude und genussvollen Momenten.